Darum geht’s
CDU-Wirtschaftsminister Althusmann informierte im April über eine geplante Vereinbarung mit dem Unternehmen ONE-Dyas. Nach Aussagen des Ministers sollen in der Nordsee bis zu 60 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert werden. Damit sei Niedersachsen gemeinsam mit den Niederlanden der Eckpfeiler der deutschen und der europäischen Gasversorgung. Die Erdgasförderung solle jedoch nur so lange möglich sein, wie der Bedarf nach Erdgas in Deutschland besteht.
Auf Anfrage der Grünen korrigierte Minister Althusmann sowohl die zu erwartenden Fördermengen als auch die Angaben zur Dauer der Förderung. In der Antwort der Landesregierung ist zu lesen, dass „in Deutschland voraussichtlich bis zum Ende der geplanten Förderung von Erdgas im GEMS-Gebiet (2042) Bedarf nach Erdgas bestehen wird.“ Das Land müsse sich zudem erst noch mit den antragstellenden Unternehmen über ein „Verfahren zur objektiven Ermittlung der einheimischen Nachfrage verständigen“.
Die rot-schwarze Landesregierung will nun im nächsten Plenum den im Oktober 2021 mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen gefassten Landtagsbeschluss „Zum Schutz des Wattenmeeres: Keine Erdgasförderung in Niedersachsens Küstengewässern“ wieder aufheben, um dann Ende Juni im Landtag das Gegenteil beschließen zu lassen.
Das sagen die Grünen
Meta Janssen-Kucz, Sprecherin für Häfen und Schifffahrt
„Das Papier von Wirtschaftsminister Althusmann und dem Unternehmen ONE-Dyas ist eine reine Alibi-Vereinbarung. Anders als darin behauptet, gibt es keine Befristung der Erdgasförderung entsprechend der Klimaziele. Ist die Genehmigung erst erteilt, soll das Erdgasvorkommen bis ins Jahr 2042 vollständig ausgebeutet werden.
Die Landesregierung führt die Öffentlichkeit mit überhöhten Angaben zum Fördervolumen in die Irre. Beantragt ist nur eine Förderung von bestenfalls 22 Milliarden Kubikmetern. Die Hälfte der Förderung würden zudem an die Niederlande geliefert, weil sie auf niederländischem Meeresgebiet liegen. 35 Jahre Förderung würden also höchstens 11 Milliarden Kubikmeter für die deutsche Gasversorgung bringen. Gemessen am aktuellen Gasbedarf deckt das jährlich weniger als 1 Prozent der Nachfrage. An den hohen Risiken für den Nationalpark Wattenmeer und die Inselkommunen hat sich rein gar nichts geändert. Trotzdem wollen SPD und CDU jetzt den noch Ende letzten Jahres fraktionsübergreifend getroffenen Landtagsbeschluss gegen das Förderprojekt aufheben und spielen die Gefährdungen herunter.“
Imke Byl, energiepolitische Sprecherin, ergänzt
„Hohes Risiko, extrem geringe Ausbeute. Dieser Minimalbeitrag ist es nicht wert, die Risiken für das sensible Ökosystem Wattenmeer vom Tisch zu wischen. Statt für fossile Schein-Lösung zu kämpfen muss die Regierung von Ministerpräsident Weil endlich die Energiewende in Gang bringen. Nur mit erneuerbaren Energien und Maßnahmen zur Senkung des Gasverbrauchs werden wir wirklich unabhängig vom Gashahn. Doch leider zeichnet sich die Landesregierung hier mit Untätigkeit aus. Die angespannte Energieversorgung in Folge des russischen Angriffskriegs ist für die Landesregierung nur ein Vorwand, die Erdgasförderung direkt am Nationalpark nun durchzuwinken.“
Hintergrund
Im Oktober 2021 hatte sich der Landtag mit Stimmen von SPD, CDU und Grünen gegen die Erdgasförderung in der Nordsee ausgesprochen, unter Verweis auf den Schutz von Natur und Klima. Die Landesregierung begründet ihren Kursschwenk mit der Notwendigkeit, die Energieversorgung abzusichern.
Beantragt ist ein Fördervolumen von bis zu 22 Milliarden Kubikmetern. Offen ist, ob sich die vermuteten Vorkommen tatsächlich bestätigen und ob sich neben dem Förderfeld N05-A (bis zu 7,5 Mrd. m³) auch die Prospekte N05-A-Noord (bis zu 5,7 Mrd. m³), Tanzaniet-Ost (bis zu 1 Mrd. m³), N05-A Südost (bis zu 0,8 Mrd. m³) und Diamant (bis zu 7,3 Mrd. m³) als förderwürdig erweisen. Lediglich die beiden letztgenannten Felder liegen vollständig auf deutschem Hoheitsgebiet.
Selbst nach den optimistischen Annahmen von One Dyas könnte die Förderung frühestens Ende 2024 starten – also wohl zwei Winter zu spät, um einen kurzfristigen Beitrag für die Energiesicherheit von Haushalten und Industrie zu liefern.