09.11.2022 – 84 Jahre nach der Reichspogromnacht reinigt Wolfgang Böhm aus Hamburg zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten von der Insel vertriebenen Familie Levi, deren Stolpersteine auf Wangerooge
09.11.2022 – 84 Jahre nach der Reichspogromnacht reinigt Wolfgang Böhm aus Hamburg zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten von der Insel vertriebenen Familie Levi, deren Stolpersteine auf Wangerooge
09.11.2022 – Am heutigen 9.November 2022, genau 84 Jahre nachdem die beiden Juden Martha und Hermann Levy in der Reichspogromnacht durchs Wangerooger Dorf zum Bahnhof getrieben worden sind, gedenkt Wolfgang Böhm aus Hamburg, mit seiner jährlich wiederkehrenden Putzaktion der Stolpersteine, der von den Nationalsozialisten von der Insel deportierten jüdischen Familie Levi.
Seit nunmehr elf Jahren ist es für Wolfgang Böhm in seinem Urlaub auf der Nordseeinsel Wangerooge ein Herzenswunsch, die vier von Gunter Demnig im Mai 2011 an der Kreuzung Elisabeth-Anna-Straße/Zedeliusstraße verlegten Stolpersteine, zu reinigen.
Wie kam es zu den Stolpersteinen auf Wangerooge? Im Jahre 2007 war die Klasse 10a der Inselschule Wangerooge mit der Religionspädagogin Tina v. Pentz auf Abschlussfahrt in Berlin. Als Schwerpunktthema der Fahrt stand das Leben jüdischer Bürger in Berlin der Vergangenheit und der Gegenwart im Mittelpunkt. Auf den Spuren dieser Thematik besichtigten die Schülerinnen und Schüler unter anderem das Jüdische Museum und das Holocaust Denkmal im Herzen Berlins. Während einer Stadtführung durch die Viertel in Berlin, welche einstmals von einer Vielzahl jüdischer Bürger bewohnt wurden, stießen sie auf die Stolpersteine von Gunter Demnig. Die Steine tragen zum einen das Geburtsdatum, wie auch das Deportationsdatum und zum anderen den Namen der betroffenen Person. Eigentlich werden sie vor dem Haus verlegt in dem die Menschen gewohnt haben, damit Passanten beim Vorübergehen über die Steine stolpern und vor sich das Haus der ehemaligen Bewohner sehen. Auf diesem Weg schenkt jeder der über die Steine stolpert den Opfern des Holocaust einen Augenblick stillen Gedenkens.
Die Steine weckten das Interesse der Schüler/Innen der Geschichte jüdischer Bürger in der Nazizeit auf Wangerooge nachzugehen, ob es auf der Insel auch jüdische Bürger gab, welche im Zuge des Nationalsozialismus deportiert wurden.
Bei ihren Recherchen auf der Insel, unter anderem auch durch Gesprächen mit Zeitzeugen, erhielten sie die Information, dass es auch auf Wangerooge eine Familie gab, die dem Holocaust zum Opfer gefallen war. Die Verlegung der Stolpersteine zum Gedenken an diese Familie Levy sollte das Abschlussprojekt der Klasse auf der Insel werden.
Doch mit der Verlegung der Steine direkt vor dem Haus, in dem ehemals die Familie Levy wohnte, tat sich der Rat der Inselgemeinde Wangerooge (das Jeversche Wochenblatt berichtete) schwer. Nach vielem hin und her wurde schließlich der Kompromiss gefunden, die Stolpersteine im Kreuzungsbereich der Elisabeth-Anna-Straße/Zedeliusstraße zu verlegen. Da der Künstler Gunter Demnig aber nicht nur die Steine auf Wangerooge zu verlegen hatte, dauerte es bis zum Mai 2011, dass das Projekt der Abgangsklasse zu Ende gebracht werden konnte.
Der Künstler Gunter Demnig erklärte 2011 in seiner Ansprache die Absicht, warum er die Form der Stolpersteine gewählt habe und nicht die Form einer Gedenktafel an den jeweiligen Häusern so: “Beim Lesen der Steine macht jeder Betrachter automatisch eine Verbeugung vor den Opfern”.
Zur Geschichte der Familie Levy auf Wangerooge:
1909 kaufte August Levy in der Elisabeth-Anna-Straße ein Grundstück. Darauf baute er ein Haus mit Fleischerei und Ladengeschäft. Dieses wurde später von seinem Sohn Hermann (Hugo) mit seiner Frau Martha (geb. Heinemann) übernommen. Hermann und Martha Levy bekamen zwei Kinder.
Marga – geb. 18.03.1914 auf Wangerooge und Siegmund – geb. 26.01.1919 auch auf Wangerooge
Marga ging mit Beginn ihrer Schulzeit zu ihrer Tante nach Esens. Mit 16 ging sie nach Hildesheim und arbeitet dort als Wirtschafterin. Danach ging sie nach Leipzig, und von dort auf das „Gut Neuendorf” bei Berlin. 1940 wurde sie in ein „Umschulungslager” nach Paderborn umgesiedelt. Wie und wo sie verstarb ist nicht bekannt, nur, dass sie Richtung Osten deportiert wurde.
Siegmund begann im April 1933 eine Schlachterlehre in Herford. Von dort ging ,auch er auf das „Gut Neuendorf”. Mit Glück bekam er ein Visa für England, und wanderte dann über England nach dem Krieg in die USA aus. Am 03.07.2004 verstarb er in Stockton/Kalifornien.
Nach der Reichskristallnacht 9./10. November 1938 wurden Hermann und Martha Levy durch den Ort zum Bahnhof „getrieben”. Wangerooge konnte sich nunmehr als erste Kommune im Oldenburger Land judenfrei nennen. Sie wurden in das KZ Sachsenhausen verschleppt, aber kurze Zeit später wieder freigelassen. Aufnahme fanden sie bei Marthas Bruder in Herford. Am 13.12.1941 wurde Hermann in ein Ghetto nach Riga deportiert. Im März 1942 wurde er von einem Insulaner beim Gleisbau bei Riga gesehen. Im Januar 1943 wurde er für tot erklärt.
Martha wurde in das KZ Stutthof deportiert. Hier wurde sie auch ermordet.
Gunter Demnig verlegt im Mai 2011 im Kreuzungsbereich Elisabeth-Anna-Straße vier Stolpersteine zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten von der Insel deportierten jüdischen Familie Levi.
v.l.n.r.: Wangerooges Bürgermeister Marcel Fangohr (links) schaut zusammen mit der Urlauberin Martina Klein aus Lemgo (rechts), Wolfgang Böhm aus Hamburg (Bildmitte) bei der Reinigung der, an der Kreuzung Zedeliusstraße Ecke Elisbaeth-Anna-Straße, zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten von der Insel deportierten jüdischen Familie Levi verlegten Stolpersteine, zu.
v.l.n.r. Bürgermeister Holger Kohls, Künstler Gunter Demnig, Janna Wilhelmi und Martje Lindner der Abgängerklasse 2007 der Inselschule Wangerooge, Susanne Spremberg (Lebensgefährtin von Ruben Heinemann), Ruben Heinemann (Nachfahre von der ermordeten Martha Levy geborene Heinemann), im Mai 2011 eigens zur Steinlegung aus Herford auf die Insel angereist.