27.03.2024 Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) zu “Brücken-Havarie in Baltimore”
27.03.2024 Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) zu "Brücken-Havarie in Baltimore"
Schiffshavarien mit schlimmen Auswirkungen
Schutzgemeinschaft SDN warnt vor immer weiter steigenden Gefahren für
und durch den Schiffsverkehr
Deutsche Schifffahrtswege. Sie sind recht selten, Schiffshavarien.
Jedenfalls gemessen an der Anzahl fahrender Schiffe und der vielen von
ihnen bewältigten Seemeilen. Und doch bewirkt auch ein seltener Unfall
manchmal gravierende Schäden, bis hin zu Todesfällen und
Umweltkatastrophen sowie komplette Blockarden ganzer Fahrtstrecken wie
auch Häfen. „Die Bedrohung durch katastrophale Schiffsunfälle, auch im
deutschen Einflussbereich, ist trotz aller Erkenntnisse und
organisatorischen Verbesserungen bei weitem nicht geringer geworden,“
erklärt Bürgermeister Gerd-Christian Wagner, Vorsitzender der
Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN). „Eine Havarie wie
die des Containerriesen DALI (9962 TEU) in der Nacht zu Dienstag im
Hafen von Baltimore kann es in ähnlicher Weise zu jeder Zeit auch bei
uns geben.“ So habe ja schon allein die zerstörende Kollision eines sehr
viel kleineren Binnenschiffes mit einer Eisenbahnbrücke auf der Hunte
bei Elsfleth Ende Februar für eine weitgehende Blockarde gleich dreier
Seehäfen gesorgt.
Zeit ohne Havarie verstreicht
„Erschwerend kommt in unserem Küstenbereich in diesen Tagen noch hinzu,
dass die Nordsee dermaßen von industriellen Nutzungen und Anlagen wie
LNG, CCS und Windparks nebst einer steigenden Anzahl von Riesenschiffen
zugedeckt wird , wie man es sich noch vor wenigen Jahren überhaupt nicht
vorstellen konnte“, erklärt Kapitän und Seelotse Ulrich Birstein,
zweiter SDN-Vorsitzender. „So haben sich die Sorgen der SDN in Sachen
Schiffs- und Küstensicherheit für unsere Nordsee bis heute um nichts
verringert.“ Vielmehr erhöhe sich die Gefahr von Schiffsunfällen auf
See; und das mit immer weniger einschätzbaren Auswirkungen. „Und gerade
bei den Mega-Schiffen könnte eines von ihnen schon für eine nicht zu
bewältigende Katastrophe reichen!“
Steigende Gefahr
Die steigende Gefahr gehe von allen Schiffsgrößen aus. Sie berge große
Risiken für den Lebensraum südliche Nordsee wie auch der Ästuare von
Elbe, Weser und Ems, so Birstein weiter. Die jüngst vor unserer Küste
geschehenen Havarien von MSC ZOE (Ladungsverlust), MUMBAI MAERSK
(Strandung), PETRA L (Kollision Windpark), FREMANTLE HIGHWAY
(Schiffsbrand) oder MSC REGULUS (Ausfall Hauptmaschine) und
VERITY/POLESIE (Schiffskollision) hätten das deutlich gezeigt. „Die
Glückssträhne, die die deutsche Nordseeküste nebst ihrer Flusshäfen als
einer der weltweit meist befahrenen Schiffswege bisher bei Havarien
hatte, ist nicht erst mit den fünf toten Seeleuten der VERITY
Vergangenheit.“ So führe zum Beispiel ein weiterer Ausbau der
Offshore-Windkraft zu immer noch enger werdenden Fahrspuren; auch für
die Riesenschiffe. Das rücke eine Schiffskollision mit Windkraftanlagen
nebst schlimmsten Umweltverschmutzungen in immer bedrohlichere Nähe.
Vermeintliche Alternativlosigkeit
Dabei sei zu bedenken: Havarien ließen sich nicht vollends verhindern.
„Wichtig ist es von daher, dass man ein klar strukturiertes und
präventiv wirkendes Havariesystem hat, welches möglichst frühzeitig
Risiken erkennt und unmittelbar qualifizierte technische wie personale
Hilfen einsetzen kann“, so Birstein. In der Berliner Politik würde es
allerdings immer deutlicher erkennbar, dass der Schutz von Nordsee und
Wattenmeer zu Gunsten einer umfangreichen Industriealisierung zunehmend
ins Abseits gerate, befürchtet er. Und damit erhöhe sich gleichermaßen
auch die Gefahr von Schiffsunfällen auf See mit unübersehbaren
Auswirkungen. „So wird es umso wichtiger, dass sich die dem Meeresschutz
verpflichtet sehenden Initiativen deutlicher und möglichst gemeinsam an
die Bundespolitik wenden und denkbare Alternativen gegen diese
vermeintliche Alternativlosigkeit stellen.“ Dabei müsse immer bedacht
werden, bei aller menschlichen Technikgläubigkeit ist es nicht immer
möglich durch Menschen verursachte Schäden an der Umwelt auch wieder
folgenlos zu beseitigen. „Das Schutzschild „überragendes öffentliches
Interesse“ sollte uns nicht blind machen. Wir müssen mit wachen Augen
auf unsere Lebensräume achten“, appeliert der SDN-Vorsitzende. Dabei sei
es aus Sicht der SDN nahezu unerheblich, an welcher Stelle auf See eine
Havarie geschehe. Der unmittelbare Lebensraum mit seinen Bewohnern wäre
dabei immer bedroht.
Mit freundlicher Bitte um Veröffentlichung,
SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.
- Pressestelle -
Peter Andryszak
pressestelle@sdn-web.de
0441-3801848
0172-4363439
www.sdn-web.de
Zusatz-Info:
SDN-Forderungen
Um die Wahrscheinlichkeiten von Havarien und deren Folgen wenigstens zu
verringern, erwartet die SDN von den verantwortlichen Entscheidern:
- Prävention zur Unfallvermeidung und -bekämpfung statt erzwungene
Reaktion im Falle eines Unfalls.
- Umweltschonendes Überdenken der Ausbauziele; insbesondere im
Zusammenhang mit Offshore-Wind und fossilen Energieträgern.
- Best mögliche Technik und personale Qualifikation für Unfallvermeidung
und -bekämpfung.
- Mehr ortsnahe Produktion und damit geringeren Transportbedarf.
- Endlich Förderung einer norddeutschen (Container-)Hafen-Kooperation.
- Zwingend modernere sowie effektivere Feuerlösch-Einrichtungen auf den
Schiffen, die stets dem sich ändernden Transportgeschehen angepasst
werden müssen.
- Verringern des Fahrplandrucks durch zu eng getaktete Hafenzeiten für
die Schiffe und ihre Kapitäne.
- Möglichst ortsnahe und dauerhafte Stationierung von mehreren
Notschleppern mit mindestens 130 t Pfahlzug und
Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffen passender Größe/Leistungsfähigkeit
an mögliche Einsatzorte.
- Kostenübernahme für ortsnahe Notschlepper und
Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffe; auch durch Windpark-Betreiber.
- Dem Stand der Technik entsprechende Fähigkeiten zur Branderkennung und
-bekämpfung an Bord.
- Frühzeitige Einbeziehung der Küstenlandkreise als regional zuständige
Katastrophenschutz-Behörden.
Zusatz-Info:
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)
ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der
1973 aufgrund umfassender Verschmutzungen der Nordsee ins Leben gerufen
wurde. Seitdem engagiert sich die Schutzgemeinschaft sachlich-fachlich
und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-,
Wirtschafts- und Naturraum. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen,
Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als
Sprachrohr in die Öffentlichkeit sowie die Ministerialverwaltungen und
Parlamente des Bundes und der vier Nordsee-Küsten-Länder. Gemeinsames
Ziel: die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und
der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu
schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.
Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als
Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als
weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-, Abfall-,
und Klärschlammverklappung, das Notschleppkonzept, Antifouling,
Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV sowie die
Anschaffung moderner Notschlepper für Nord- und Ostsee, wie aktuell auch
der Unterelbe.
Die SDN ist Mitglied der KIMO International:
http://www.kimointernational.org
www.sdn-web.de
Post Views: 962